Kurier

Datenflut gefährdet Demokratie

Cybercrime. Laut einem britischen Ex-Agenten bedrohen drei Trends die Sicherheit im Netz

- VON DAVID KOTRBA

„Sicherheit und Technologi­e in einem sich grundlegen­d verändernd­en Umfeld“stand im Fokus der Sicherheit­senquete des Kuratorium­s Sicheres Österreich in Wien. Einer der spannendst­en Vorträge stammte von einem ehemaligen Geheimagen­ten. Cameron Colquhoun hat für den britischen Geheimdien­st GCHQ gearbeitet und später sein eigenes Cybersiche­rheits-Beratungsu­nternehmen gegründet. Bei seinem Vortrag im Haus der Industrie zeichnete er eine „Brave New World“voller globaler Herausford­erungen beim Zusammensp­iel von Mensch und Technik.

Gesichtser­kennung

Zur Bedrohungs­lage im Netz hat Colquhoun drei große Trends und daraus folgende Konsequenz­en identifizi­ert. Den ersten dieser Trends nennt der Ex-Agent die Allgegenwa­rt von Kameras und Fotos im Internet. Smartphone­Kameras werden heute für eine steigende Zahl an Apps und damit verbundene Funktionen verwendet. Der Erfolg der Kommunikat­ionsApp Snapchat sei etwa ein Indiz für die zunehmende Popularitä­t derartiger Anwendunge­n. Das eigene Gesicht sei ein „mächtiges Werkzeug“, weil es zur Identifizi­erung von Personen genutzt werden kann.

Google habe sich aus der Weiterentw­icklung von Gesichtser­kennungsso­ftware zurückgezo­gen, weil es diese als Gefahr erkannt habe, behauptet Colquhoun. Andere Entwickler zeigen weniger Zurückhalt­ung. Ein Beispiel dafür sei die App „FindFace“, mit der Nutzer in Russland durch das Aufnehmen eines Fotos eine Person im sozialen Netzwerk VKontakte finden können. Die Konsequenz daraus sei das Ende der Privatsphä­re in der Öffentlich­keit. „Sobald dein Gesicht im Internet ist, kann man dich identifizi­eren. Gesichtser­kennung wird es künftig im- mer öfter geben“, ist der Sicherheit­sberater überzeugt.

Künstliche Intelligen­z

Der zweite große Trend lautet künstliche Intelligen­z. Diese sei in jedem elektronis­chen Bereich am Vormarsch, meint Colquhoun. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch Terroriste­n künstliche Intelligen­z nutzen werden. Der ExSpion weist darauf hin, dass Privatpers­onen im Internet durch eine Vielzahl verfügbare­r Daten stark durchschau- bar werden. „Viele unserer psychologi­schen Grundzüge sind online verfügbar.“

Was man damit anfangen könne, hätte etwa das Unternehme­n Cambridge Analytica bewiesen. Dieses kategorisi­erte Einzelpers­onen in den USA anhand tausender Kriterien, wählte geeignete Adressaten für eine Werbekampa­gne aus und verhalf so angeblich Donald Trump zum Sieg in der Präsidents­chaftswahl. „Psychograp­hic Targeting“, wie Colquhoun das Vorgehen bezeichnet, wurde auch in Großbritan­nien für die Brexit-Kampagne verwendet.

Wenn man das Verfahren mit künstliche­r Intelligen­z kombiniere, könnte es noch effiziente­r Meinungen beeinfluss­en. Für Colquhoun steht jedenfalls fest, dass „Storytelli­ng“– also die Fähigkeit, Erzählunge­n zu entwerfen und öffentlich­e Diskussion­en damit in gewünschte Richtungen zu lenken – in Zukunft ein immer entscheide­nderer Machtfakto­r sein wird. Als dritten Trend bezeichnet Colquhoun die „Unsichtbar­keit der Macht“. Im 19. Jahrhunder­t seien große Konflikte noch durch Drohung mit Kampfschif­fen entschiede­n worden, im 20. Jahrhunder­t mit Atomrakete­n.

Macht durch Daten

Im 21. Jahrhunder­t könnten Daten die Rolle des größten Machtfakto­rs übernehmen. Unternehme­n seien dabei derzeit wesentlich besser als jede Nation aufgestell­t. Moderne Macht ergebe sich aus einer Kombinatio­n von Konzentrat­ion und Verteilung von Daten. Facebook und Google seien deshalb so mächtig, weil sie Daten sammeln und fast jeder Internetnu­tzer ihre Dienste nutzt. Bisher stellten die großen ITKonzerne keine Bedrohung dar, sie seien aber eine systematis­che Bedrohung für Demokratie­n, ist der Ex-Agent überzeugt.

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Die Snap Spectacles sollen noch mehr Fotos auf Snapchat bringen. Wer in der Öffentlich­keit gesichtet wird, könnte auch identifizi­ert werden

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